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22:32, 30 декабря 2022

Lieb gemeint, aber trotzdem nicht nett: Schwulenklischees


Lieb gemeint, aber trotzdem nicht nett: Schwulenklischees

Schwule und Lesben stehen dem Mittelpunkt der Gesellschaft naher als fruher. Schwule und Lesben in der Politik sind kein Tabu mehr. Das Outing von Prominenten und Charakteren in Filmen und Serien ist nicht mehr so ein gro?er Schock. Aber das Interesse von Heteros ist nicht immer ganz harmlos. Denn oft kleidet sich die Aufmerksamkeit, die Heteros Schwulen und Lesben schenken, im Gewand des Fetischismus.

Fetischisiere ich gerade?

Sigmund Freud, by Max Halberstadt [Public domain], via Wikimedia Commons Was wurde dieser Mann dazu sagen? Fetischismus ist ein Wort, das eine Begriffserklarung erfordert. Es geht dabei nicht nur um Sex. Denn damit meine ich nicht blo? den Umstand, dass hetero Frauen und Manner von den Sexleben von Schwulen und Lesben fantasieren. Mit der Fetischisierung von Schwulen und Lesben meine ich auch die vereinnahmende Neugier von Heteros an die Leben und Liebesleben von queeren Menschen, sowie die Verbreitung von und Belustigung an Stereotypen. Ohne gro?artig Marx oder Freud zu Zitieren: die Fetischisierung von Schwulen und Lesben ist die Betrachtung von queeren Menschen, die sie auf Queersein reduziert und sie als etwas behandelt, das den Interessen von Menschen dient, die nicht queer sind.

Um ganz ehrlich zu sein, ist dies ein Thema, das ich nur bedingt nachvollziehen kann. Denn ich bin nicht hetero. Fetischisierung von queeren Menschen ist ein Phanomen, das ich beobachten und beschreiben kann. Aber die Gedankengange, die davon ausgehen, finden nicht alle in meinem Kopf statt — nicht, dass alle queeren Menschen selbst von fetischisierendem Verhalten ausgeschlossen sind. Ich habe aber kein Heterogehirn, das hetero denkt. Viele Leser*innen dieses Artikels schon. Es ist die Aufmerksamkeit aller bei diesem Thema gefragt, aber vor allem Heterosexuelle bitte ich, sich selbst zu Fragen, ob ihr Interesse an queeren Menschen wirklich immer nur gut gemeint ist.

„Lesbische“ Pornographie und mannliche Konsumenten

Fangen wir bei dem am schlechtesten gehuteten Geheimnis an: hetero Manner finden Lesben geil. Tatsachlich hat ein sehr gro?er Teil der Pornographie, die fur Manneraugen gemacht ist, eine lesbische Thematik. Auch ich habe ein Paar dieser Filmchen gesehen. Denn als ich meine Pubertat durchlitt, hatte auch ich einen unuberwachten Internetanschluss. Naturlich vermissen solche Darstellungen weiblicher Sexualitat echte emotionale Intimitat. Ziel der Filme und Bilder ist es auch nicht, lesbische Sexualpraktiken lebensecht darzustellen. Ich wei?, jede hat anders Sex. Aber das exzessive Stohnen und Fisten in „lesbischen“ Pornos ist nicht gerade reprasentativ.

Nun kann ein junger Mann den ganzen Tag lesbische Pornographie konsumieren und trotzdem Lesbenfeindlich sein. Das ist uberhaupt kein Widerspruch. Denn wenn ein junger Mann den ganzen Tag Lesbenpornos guckt, die fur ihn gemacht sind, warum sollte er dann nicht glauben, dass Lesben im Allgemeinen fur seine Zwecke existieren? Einige Manner kapieren dann nicht, dass mit der Aussage „ich bin lesbisch“ gemeint ist, dass ihre Flirtversuche unerwunscht sind.

Der pornographische Fetischismus von Lesben verbleibt dabei nicht nur in Pornos. Denn auch Werbung und Darstellungen von Sex oder Liebe zwischen Frauen in Filmen und Serien hat selten die Zielgruppe von frauenliebenden Frauen im Blick und bedienen sich der Pornos fur Manner als Vorbild. In der Werbung dient Zartlichkeit zwischen Frauen vor allem als Eye Candy fur Manner. Allerdings mogen auch Lesben sich von solchen Darstellungen angesprochen fuhlen, weil es sonst nichts fur sie gibt. Hier mag es nicht immer leicht sein einzuschatzen: Ist das jetzt fur Lesben oder Manner? Als Merkmal von Medien, die eigentlich fur Manner sind, findet sich oft in solchen Darstellungen die Film- und Photographiesprache der Male Gaze wieder. Das hei?t: Frauen werden voyeuristisch als Objekte, statt als Subjekte abgelichtet. Zartlichkeit und Emotionalitat sind solchen Darstellungen oft fremd.

Die Fetischisierung von schwulen Mannern ist weniger auf ihre Sexualitat beschrankt. Der Schwulenfetisch richtet sich viel mehr auf Stereotype. So werden schwule Manner gern als humorvoll, kosmopolitisch, tuntig, zickig, modebewusst, und tratschig dargestellt. Das sind nicht alles negative Eigenschaften, weshalb sich manche Schwule gerne in die Fetischnische quetschen. Als Abklatsch angenommen zu werden, ist fur viele angenehmer, als der Ausschluss aus sozialen Kreisen. Aber nicht alle sind froh daruber, von allen hetero Frauen als potenzieller „schwuler bester Freund“ angesehen zu werden.

An der Fetischisierung von schwulen Mannern sind sowohl Manner als auch Frauen beteiligt. Immerhin basiert ein Gro?teil von Michael „Bully“ Herbigs Karriere auf uberdrehten Karikaturen von schwulen Mannern. Welche voll lustig sind, denn, Hihi! Schwul! Wenn auf die Schwulenfeindlichkeit hingewiesen wird, die von solcher Unterhaltung ausgeht, entgegnen einige, dass das ja uberhaupt nicht bose gemeint ist: „Nein, ich find es ja nur lustig weil es bescheuert ist, nicht weil jemand Schwul ist! Und uberhaupt finde ich Schwule voll su? und harmlos!“ Aber Karikaturen von Schwulen sind eben nicht blo? Karikaturen, sondern Karikaturen von Schwulen. Und egal wie gut gemeint man Stereotype findet, sie fuhren immer dazu, dass jemand in Schachteln gezwangt wird und als Mensch ubersehen wird.

Schwule Manner sind keine Accessoires

Kommen wir also zu dem vorhin erwahnten schwulen besten Freund zuruck. Den wunschen sich viele hetero Frauen. Sie stellen sich vor, ein schwuler Mann ware eine Bereicherung fur ihr Leben. Er geht mit ihnen shoppen, redet mit ihnen uber Manner, gibt Modetipps und ist dabei vollig ungefahrlich, weil er weder ihren Freund wegschnappen kann, noch auf sie stehen konnte. In einigen Medien wird dieses Klischee immer noch ohne Selbstkritik angepriesen. Aber viele schwule Manner finden diese Form von Vergotterung gar nicht toll. Denn durch das Ideal des schwulen besten Freundes, werden schwule Manner zu Anhangseln gemacht, die das Leben von Heteros bereichern sollen. Der Mensch wird zum Fetisch reduziert.

Naturlich durfen Heteros sich fur Schwule und Lesben interessieren. Es ist ja auch nichts grundlegend schlimmes daran, eine Vorliebe fur Filme oder Bucher uber queere Menschen zu haben. Am Ende des Tages muss man aber trotzdem die eigenen Gefuhle einmal unter die Lupe zu nehmen. Denn auch ein scheinbar positives Interesse ist nicht zwangslaufig der Beweis, dass man nicht homophob ist. Ein Interesse mit Fetischcharakter zahlt namlich selbst zu den Auswuchsen von Homophobie. Das zu erkennen, bedeutet zu versuchen, nicht nur durch die eigenen Augen zu gucken. Zumindest merke ich, dass meine Welt oft noch durch Heteroaugen definiert wird. Dann verdrehe ich meine Lesbenaugen.


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